Küss die Hand, gnä’ Frau

Hand aufs Herz: Wer hat nicht am letzten Wochenende einen befreienden Juchzer ausgestoßen, erleichtert über den doch deutlichen Wahlsieg in Österreich derer, die für eine offene Gesellschaft eintreten. Raus aus der Trumpschen Schockstarre!

Hätten ausschließlich Frauen abgestimmt, dann wäre der Sieg noch deutlicher ausgefallen:  62 Prozent für Van der Bellen zu 38 Prozent für Hofer. Wären nur Männer wahlberechtigt gewesen, dann hätte Hofer mit 56 Prozent triumphiert (Küss die Hand, gnä’ Frau Analyse der Österreichwahl taz 05.12.16) 

Ist es weil Frauen eher für das Bewahrende und für versöhnliche Botschaften empfänglicher sind? Bei solchen Zuschreibungen bin ich eher skeptisch, abgesehen davon, dass auch die ORF-Analysten am Wahlabend bestätigten, dass das Gros der Blauen-Wählerinnen und –Wähler eher Zukunftspessimisten und alles andere als heftige Verfechter eines Wandels waren. Die Zuschreibungen, wer für oder gegen einen Wandel ist, lesen sich bei allen großen Wahlen der letzten Wochen geradezu absurd: Ist es ein – anzustrebender – Wandel, Schmutzkübel über alle die „anders“ sind oder „anders“ denken, demokratische Institutionen gleich mit dabei, auszuschütten? Sind alle die, die dabei nicht mitmachen wollen, Ewig-Gestrige? Vielleicht ist das „weiblich“: Zu bedenken, dass all die Scherben hinterher auch aufgekehrt werden müssen.

Tatsache ist, dass es bei der Unterstützung der Rechtspopulisten über Ländergrenzen hinweg einen Gender-Gap gibt. Auch in Deutschland hätten Wahlergebnisse anders ausgesehen, hätten nur Männer gewählt. Eine Untersuchung des DIW zur AnhängerInnenschaft der AFD ergab, dass zwei Drittel männlichen Geschlechts sind. Als Grund für die geringere Unterstützung durch Frauen werden durchaus auch harte Fakten wie das extrem konservative Familienbild der AFD gesehen (DIW Wochenbericht 34/2016).

Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem andern zu

Nicht jeder, der Trump oder andere Rechtspopulisten wählt, ist ein Rassist oder Sexist. Der Aufbau neuer Feindbilder mit dem weißen mittelalten heterosexuellen Mann als Sündenbock ist nicht hilfreich, nicht nur weil eben auch Frauen diese Strömungen wählen. Auch wenn der Diskurs über diese früher eher neutrale Bezeichnung – ähnlich einer soziologischen Kohorte und damit als neutrales Analyse Werkzeug – wiederum hilfreich sein kann. Zeigt es doch einer, egal ob jemand sich solcherart versteht oder nicht, hegemonialen Gruppe, wie ungemütlich ja auch verletzend es für Individuen sein kann, nur noch über Gruppenmerkmale wie Alter, Geschlecht, Hautfarbe, Herkunft und Sexualität definiert, also ebenfalls in eine Schublade gesteckt zu werden. Margarete Stokowski hat darüber für den SPIEGEL eine wunderbare Kolumne geschrieben.

Tatsache ist, dass Rechtspopulisten gerade auch bei denen punkten, die durch den Wandel der Geschlechterrollen verunsichert sind, und das sind mehr Männer als Frauen. Nein, es geht nicht darum, dass Männer in der Krise sind, sondern in der Krise sind Bilder von Männlichkeit. Ersteres bedeutete wiederum eine nicht hilfreiche Schublade – herzlichen Dank an Frank Luck vom Zentrum Gender Studies Universität Basel für den wunderbaren Diskurs auf der Tagung FemiCare & MaskuWork am 17. November 2016 in Landshut. Im Zentrum des traditionellen männlichen Rollenbildes steht das Ernährermodell, und das gerät nicht nur wegen gewandelter Frauen zunehmend ins Wanken.

Erschreckend und doch nicht überraschend ist, dass in Österreich von den ArbeiterInnen nur jede/r Sechste nicht blau gewählt hat: 85 Prozent stimmten für Hofer. Auch in Deutschland liegt diese Berufsgruppe bei den AfD-UnterstützerInnen an der Spitze, also bei denen, die sich eher als Verliererinnen der Globalisierung empfinden und / oder Ängste haben, spätestens von der nächsten „…sierungs“-Welle, der Digitalisierung abgehängt zu werden.

Hier kommen neben der Politik besonders betriebliche Interessenvertretungen und Gewerkschaften, Unternehmensvorstände und HR-Verantwortliche ins Spiel. Es braucht eine klare Vision, eine „eigene utopische Erzählung“ für einen Prozess, der ernst und mit nimmt, und keine/n abhängt. Wie gerade das Fehlen eines positiven Narrativs mit zum Wahlsieg von Donald Trump beigetragen hat, schilderte in einem eindringlichen Beitrag Bastian Hermisson, Leiter des Büros Washington der Heinrich Böll Stiftung, auf dem Bundesparteitag von Bündnis 90/Die Grünen am 12. November in Münster. Nicht zuletzt deshalb ist seine Analyse der US-Wahlen so aufrüttelnd, hörenswert!

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