Kunde oder Kundin: Ein Duden-Ratgeber hilft weiter

Foto: Sissi Banos

Ende letzten Jahres veröffentlichte die Dudenredaktion einen ausführlichen Ratgeber zum Thema geschlechtergerechte Sprache: Richtig gendern. Wie Sie angemessen und verständlich schreiben (Anja Steinhauer, Gabriele Diewald, Duden 2017). Ich weiß nicht, ob die Richter und Richterinnen in Karlsruhe vor ihrer jüngsten Entscheidung hinein geschaut haben. Falls ja, hätte sie eigentlich anders ausfallen müssen. 

Der Band gibt umfassende Hilfestellung für Menschen in Institutionen, Verwaltungen und Firmen, die gendergerechte Texte verfassen und sich ein Bild über die Möglichkeiten verschaffen wollen. Detailliert werden Lösungsideen im Rahmen amtlicher Regelwerke wie für Texte, die nicht an solche gebunden sind, vorgestellt: Schreibweisen und andere Vorschläge, die das Geschlecht sprachlich sichtbar machen, sowie geschlechtsneutrale Formulierungen. Auch neuere Entwicklungen wie die Transgender- und Intersexualitätsdebatte werden berücksichtigt.

Klar und deutlich nehmen die Autorinnen zum Thema des vom Bundesgerichtshof wie den Vorinstanzen, dem Amts- und Landgericht Saarbrücken, so vehement verteidigten ‚generischen Maskulinum‘ Stellung:

„Die maskuline Form bei geschlechtsdifferenzierten Personenbezeichnungen ist keine geschlechtsneutrale Form. Der Ausdruck ‚generisches Maskulinum’ ist sachlich unzutreffend und irreführend.“

Die maskuline Form verstoße gegen das grundlegende Kommunikationsprinzip der Klarheit und Vermeidung von Mehrdeutigkeit und sollte allein aus diesem Grund schon vermieden werden. Fundiert und begleitet von anschaulichen Beispielen zeigen sie auf, wie solch ein Sprachgebrauch zudem Geschlechterstereotype zementiert und die sprachliche Benachteiligung die reale Benachteiligung von Frauen sehr wohl befördern kann.

Besonders perplex ließ mich die Karlsruher Urteilsbegründung, weil sie in der Verteidigung des ‚generischen Maskulinum‘ ausgerechnet dessen (Geschlechts)Blindheit als positive Eigenschaft bemüht (s.a. Kommentar Gianna Niewel „Betriebsblinde Justiz“, Süddeutsche Zeitung 14.03.2018). Auch hier hätte ein Blick , dieses Mal in das Duden-Wörterbuch, das Gericht zum Nachdenken anregen müssen. Als eine Bedeutung von „blind“ gibt es „verdeckt, unsichtbar“ an. Ist doch gerade das in Zusammenhang mit dem ‚generischen Maskulinum‘ kritisierte Unsichtbarmachen, das ‚Verdecken‘ der Geschlechter und all dessen, was nicht ‚maskulin‘ ist, das zentrale Argument für eine Abkehr von diesem Dogma.

Sprache formt Bilder. Sprache formt Bewusstsein. Wer in der Sprache nicht vorkommt, ist auch nicht im Bewusstsein. Selbst Sokrates hat das schon gesagt, wie die Klägerin Marlies Krämer feststellt. Auch wenn das ‚generische Maskulinum‘, wie von den Gerichten angeführt, sich seit 2000 Jahren bewährt habe, sei zudem die Frage gestattet: Wo ständen wir heute in der Frage der Gleichberechtigung, wenn sich der altbekannte Hinweis auf Altbewährtes immer und überall durchgesetzt hätte? (Inwieweit das ‚generische Maskulinum‘ in den alten Sprachen, zum Beispiel dem Lateinischen, schon damals nicht geschlechtsneutral war und wirkte, steht auf einem anderen Blatt.)

Sprache erzeugt Bilder – auch bei Kundinnen. Nicht nur die Klägerin Marlies Krämer ist es leid, bei jedem Formular ein /in hinzuzusetzen. Wenn ich zum x-sten Mal über den ‚Kontoinhaber’ stolpere, frage auch ich mich, ob ich weiter bei einem Finanzinstitut bleiben will, das allein schon sprachlich den bundesrepublikanischen Mief der 50ger und 60ger Jahre ausstrahlt. Die Zeiten, in denen Frauen nur mit Genehmigung des Ehemannes ein Konto eröffnen und Geschäfte abwickeln durften, sind definitiv vorbei.

Ein Tipp für die Sparkasse Saarbrücken und alle Institutionen, die nach wie vor ausschließlich männliche Bezeichnungen verwenden: Anstatt die Entscheidung über das Begehren der Kundin Marlies Krämer, in der weiblichen Form angesprochen zu werden, den Gerichten zu überlassen, hätte es lediglich der Beantwortung zweier Fragen bedurft: Will ich und, wenn ja, wie will ich als gesellschaftlicher Player in Sachen Gleichberechtigung wirken? Welche Kundschaft muss ich verstärkt und wie ansprechen,  wenn ich zukunftsfähig bleiben will? 

Der Duden-Ratgeber bietet hierzu wertvolle Denkanstöße. „Richtig gendern“ verstehen die Autorinnen dabei nicht als das Setzen neuer allgemein gültiger Normen, sondern verweisen immer auch auf die jeweilige Situation, Sachangemessenheit und Absichten der TexterInnen wie auf unterschiedliche Kontexte und Rahmenbedingungen, die es zu berücksichtigen gelte. Dies macht, neben der Übersichtlichkeit der Darstellung und zugleich Vielfalt von Lösungsvorschlägen, den besonderen Charme dieses Ratgebers aus. Er macht, egal wie Karlsruhe entschieden hat, Mut und Lust auf ‚gendern‘!

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