Was heißt Gleichstellungscheck von Konjunkturprogrammen …

Foto Sissi Banos

… und gibt es dazu bereits Überlegungen? Diese Fragen entstanden nach meinem Kommentar auf einen Beitrag von Natascha Hoffner in Linkedin zur gestrigen Ankündigung von Ministerin Giffey, Hilfen für Unternehmen an Maßnahmen zur Förderung der Geschlechtergerechtigkeit  zu knüpfen.

Ministerin Giffey hat dazu, wie im SPIEGEL zitiert, einige Essential bereits benannt: „Die Auswirkungen auf Frauen sollten bei allen Corona-Maßnahmen mitgeprüft werden … Auch beim Konjunkturprogramm müssen wir dafür sorgen, dass die Milliarden-Hilfen auch Frauen zugutekommen.“ und: „Wer Geld vom Staat bekommt, sollte im Gegenzug etwas dafür tun, die Lohnlücke zwischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu reduzieren, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu stärken oder Frauen in Führungspositionen zu bringen“.

Dass staatliche Gelder an Maßnahmen zur Geschlechtergerechtigkeit geknüpft werden, hatte Mitte Mai bereits der Rat für nachhaltige Entwicklung beim Kanzleramt angemahnt: Die Krise sei „eingebettet in soziale Ungleichheitsstrukturen“, Frauen seien insgesamt stärker betroffen als Männer. Hilfen dürften daher „nicht nur Männerberufe, z.B. in der Industrie, in den Fokus nehmen“, sondern müssten Beschäftigungsverhältnisse von Frauen gleichermaßen berücksichtigen.

Frauen waren nicht nur von den Folgen des Lockdown überdurchschnittlich betroffen. Die Gefahr besteht, dass dies nun auch bei der Bewältigung der ökonomischen Krise geschehen wird.

Die Tatsache, dass mehrheitlich erwerbstätige Mütter beruflich zurückgesteckt haben, besonders die 2,5 Millionen Alleinerziehenden – die große Mehrheit davon Frauen – aber auch Frauen in einer Partnerschaft (Viel „home“ und wenig „office“), könnte ihnen doppelt zum Nachteil gereichen. Viele können bis heute aufgrund der unklaren Betreuungsverhältnisse immer noch nicht einer kontinuierlichen Beschäftigung nachgehen. Dies könnte fatale Auswirkungen haben, wenn Firmen als Krisenbewältigungsstrategie im Sinne der „alten Normalität“ zum Stellenabbau greifen.

Zudem besteht die Gefahr, dass der mit dem Lockout erfolgte Digitalisierungsschub Unternehmen auf den Geschmack bringen könnten, Tätigkeiten ganz auszulagern –  auch dies verbunden mit Stellenabbau, der zum Beispiel in Verwaltungsberufen wiederum Frauen besonders betreffen würde. (Diese Überlegungen sollen die positiven Aspekte des beschriebenen Schubs nicht obsolet machen. Ich habe nach wie vor die Hoffnung, dass die Erfahrungen des unter Corona Bedingungen besonderen Homeoffice zu mehr Gerechtigkeit bei der Familienarbeitsteilung und diese fördernde staatliche Rahmenbedingungen – von der Kinderbetreuung, Familienzeit bis hin zur Abschaffung des Ehegattensplitting – führen, und nicht zuletzt zu mehr Offenheit in Unternehmen für das Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf – für Frauen und Männer.)

Ein Fokus nur auf männerdominierte Branchen, wie in der Finanzkrise geschehen, würde die Geschlechterungleichheit nochmals vertiefen.

Das Wissen, was geschlechtergerechte Konjunkturpolitik bedeutet, ist bereits vorhanden. So hat die Berliner Politikwissenschaftlerin Dr. Mara Kuhl einen „Kriterienkatalog für geschlechtergerechte Krisenpolitik“ entwickelt. Er fußt auf einer Analyse des Konjunkturpaketes, das in der Wirtschaftskrise 2008 in Kraft gesetzt worden war:

  • Die Kaufkraft von Männern und Frauen wird ausgewogen gestärkt.
  • Unternehmer/-innen und „typisch männliche” bzw.männlich dominierte, geschlechtlich ausgewogene und „typisch weibliche“ bzw. weiblich dominierte Wirtschaftsbereiche werden ausgewogen gegen Umsatzeinbrüche geschützt.
  • Investitionen werden ausgewogen in geschlechtlich unterschiedlich segregierten Wirtschaftsbereichen gefördert.
  • Arbeitsplätze von Männer und Frauen werden gleichermaßen erhalten.

(aus: Dr. Mara Kuhl: Krisenpolitik als Zukunftsaufgabe – Vorschläge zur gleichstellungspolitischen Qualität von Konjunkturpolitik, im Auftrag der Friedrich Ebert Stiftung, Berlin November 2012, Seite 6. http://library.fes.de/pdf-files/dialog/09519.pdf)

Lessons learned: In den letzten Wochen und Monaten haben Entscheider*innen durchaus Sensibiliät entwickelt und entwickeln müssen für unterschiedliche Berufe und Beschäftigtengruppen und deren Bedingungen und Anforderungen, was zum Teil zu nachträglichen Gesetzeskorrekturen führte, um Benachteiligungen zu vermeiden (siehe die Debatten um Hilfen für Solo-Selbständige, Kulturschaffende u.v.a. mehr). Bei der Entwicklung eines Corona-Konjunkturprogramms wird es genau solch eine Sensibilität, und mehr noch im Sinne auch einer geschlechterpolitischen Folgenabschätzung, brauchen. Sie muss ein wichtiger Bestandteil der von @Ana-Cristina Grohnert  in ihrem so großartigen Gastkommentar geforderten, zu definierenden „neuen Normalität“ werden (home-office-diversitaet-die-nach-corona-baustellen-der-konzerne-a-1307285.html).

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