Zur spanischen 65-Prozent-Quote – und es geht doch!

Anfang Juni wurde in Spanien die Regierung mit dem bis bislang höchsten Frauenanteil weltweit vereidigt: 11 von 17 MinisterInnenposten sind weiblich besetzt. Es unterstreicht: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Dies bestätigt eine jüngste Studie der AllBright Stiftung im Kontext von Unternehmen. 

Schlüsselressorts wie Wirtschaft, Steuern und Finanzen, Industrie und Soziales, Justiz sowie Verteidigung sind in der neuen spanischen Regierung nun mit Frauen – allesamt namhafte national und international erfahrene Expertinnen – besetzt.

Zur Vizepräsidentin ernannte Ministerpräsident Sánchez die bisherige Zuständige für Gleichstellung der sozialistischen Partei (PSOE) Carmen Calvo, die er zugleich mit der Leitung des neu eingerichteten Ministeriums für Gleichstellung beauftragte.

Auch das neu geschaffene Ökologie-Ministerium, das sich mit dem Klimawandel, Energie und anderen Umweltfragen befassen wird, ist in weiblicher Hand. Mit dem ebenfalls weiblich und hier von einer Katalanin geführten Ressort ‚Öffentliche Verwaltung’ wird die Hoffnung verbunden, zu einer Befriedigung des Katalonienkonflikts zu kommen.

Ein Tipp für alle, nicht nur Spanien-LiebhaberInnen, die noch tiefer gehen wollen: Die Zeitschrift Andalusien listet detailliert die neuen Ministerinnen und Minister und ihre jeweiligen Zuständigkeiten auf. Es bereitet hellste Freude, sodann googelnder weise die geballte Kompetenz und Vielfalt der einzelnen Ministerinnen, aber auch Minister, zu ergründen.

Die Zusammensetzung des Kabinetts bilde, so Sánchez, das „Beste“ der spanischen Gesellschaft ab. Die Begeisterung in Spanien ob dieser Veränderungen ist wohl auch deswegen so groß, „weil man nach langer Zeit mal wieder den Eindruck hat, dass in Spanien Ministerposten nach Kompetenz vergeben werden und nicht nach Parteisitzfleisch“, wie Sebastian Schoepp in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG feststellt. 

Auch das klare proeuropäische Bekenntnis der neuen Regierung und in diesem Zusammenhang der jüngste auch symbolisch zu verstehende Akt, die spanischen Häfen für auf dem Mittelmeer umherirrende Flüchtlingsboote zu öffnen, lässt hoffen: Darauf, dass Spanien ein wichtiger Protagonist für eine besonnene Politik des Zusammenhalts in der Vielfalt wird, als ermutigender Kontrapunkt dazu, was wir zur Zeit mit den an Verantwortungslosigkeit kaum mehr zu überbietenden , ja geradezu von Zerstörungslust und nicht zuletzt Misogynie, Machismo und Rassismus geprägten Attacken einer weltweit immer lauter werdenden Politikerriege erleben müssen.

Ausgerechnet das gerne als ‚Macholand’ verschriene Spanien schickt sich an, allen anderen Ländern, auch dem bisherigen Leuchtturm in Gender- und Diversitätsfragen Kanada, den Rang abzulaufen: Spanien, das Land mit dem im europäischen Vergleich nach wie vor niedrigsten Frauenanteil an bezahlter Arbeit und in dem beispielsweise noch vor nicht allzu langer Zeit eine Frauenquote für Führungspositionen in der Wirtschaft vehement abgelehnt worden war.

Wie das?

Zum einen hat ein hoher Frauenanteil in PSOE-geführten Regierungen Tradition: Bereits im Kabinett des früheren sozialistischen Ministerpräsidenten Zapatero stellten Frauen die Hälfte der MinisterInnenposten. Ein weiterer Aspekt ist sicherlich eine erstarkte Frauenbewegung. In Spanien streikten am Weltfrauentag am 8.März 2018 mehr als fünf Millionen Frauen, um gegen Diskriminierung und sexuelle Gewalt zu protestieren. Wie der Spanien Korrespondent der FAZ Hans-Christian Rössler weiter beobachtet, seien zudem insbesondere in der sozialistischen Partei schon seit längerer Zeit viele Feministinnen zu finden. (Frauen schreiben Weltgeschichte, faz.net 07.06.2018)

Einen weiteren, geradezu profan erscheinenden aber nichtdestotrotz entscheidenden Aspekt führt die schwedisch-deutsche Stiftung AllBright Stiftung in ihrer jüngsten Studie zu Frauen in Führungspositionen in der Wirtschaft an – der Wille der Verantwortlichen zur Veränderung. Die Studie stellt im Ländervergleich fest: Nicht die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, sondern die Einstellung der Unternehmen sei entscheidend dafür, dass Frauen ins Top-Management gelangen. Wenn Frauen und Vielfalt im Top-Management strategisch gewollt sind, steige der Frauenanteil signifikant. (Schlusslicht Deutschland. Konzerne weltweit holen mehr Frauen ins Top-Management)

Das strategische Wollen gepaart mit der Erkenntnis, dass nur mit Frauen Staat zu machen ist, ist ein weiterer wichtiger Erklärungsansatz auch für die neue Vorreiterinnenrolle Spaniens. Unterstrichen wird dieser Wille durch die hochrangige Ansiedlung des neuen Ministeriums für Gleichstellung. Sie lässt zugleich erwarten, dass die neue spanische Regierung verstärkt die Geschlechtergerechtigkeit hindernde bzw. fördernde Rahmenbedingungen angehen wird.

Eine erste, sprachliche Herausforderung aufgrund der Zusammensetzung des neuen Kabinetts wurde bereits pragmatisch gelöst. Bisher heißt es offiziell „Ministerrat“. Bei ihrer Vereidigung verwendeten laut FAZ die meisten neuen Regierungsmitglieder den Begriff „Rat der Ministerinnen und Minister“.

Es geht doch!

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