Ein Mount Everest an Vorurteilen …


wurde erneut in den Debatten der vergangenen Wochen um Frauen in Führungspositionen aufgetürmt. Was tun? Der Ersatz von negativen durch positive Vor-Urteile kann nicht die Lösung sein. Einige Gedanken zum Thema – und zwei Kinotipps. 

Kann die das?

– unter diesem Titel brachte Henrike Rossbach, wirtschaftspolitische Korrespondentin der Süddeutschen Zeitung im Samstagsessay vom 7. September auf den Punkt, wie bei der Besetzung von Führungspositionen nach wie vor mit zweierlei Maß gemessen wird: Frauen müssen höheren Ansprüchen genügen als Männer.

Köstlich ihre Beobachtungen der Nachfolgediskussion für das Verteidigungsministerium. Dieselben Kriterien, die Jens Spahn als sozusagen natürlichem  Nachfolger von Ursula von der Leyen zugeschrieben wurden – ehrgeizig, machtbewusst und risikobereit – spielten in der Bewertung Annegret Kramp-Karrenbauers keine Rolle, obwohl sie sich darin sehr wohl mit ihrem Parteikollegen messen kann. Dass beide „in Sachen Uniform und Schulterklappen gleich unbeleckt“  spielte nur bei der Be- oder besser Abwertung Kramp-Karrenbauers eine Rolle.

Das Fazit von Henrike Rossbach für eine Lösung, das nicht oft genug wiederholt werden kann: Offenere Bewerbungsprozesse, Frauenquoten, um den Kulturwandel zu forcieren – und mehr weibliches Selbstbewusstsein.

Wie schaffen Sie das, Kind und Karriere? Das fragen wir immer nur Frauen.

Verstärktes Engagement männlicher Führungskräfte gegen Geschlechterklischees als Teil gelebter Feedback-Kultur und mehr Ehrlichkeit über das eigene Nichtstun statt sich hinter Frauenförderprogrammen und paternalistischer Fürsorglichkeit zu verstecken, das fordert Martin Eisenhut, Chef der Unternehmensberatung A.T. Kearney, in einem sehr schönen selbst-reflektierenden Beitrag in der SZ vom 5. September („Worin Männer versagen“).

So sind sie halt, diese Frauen ?

Frauen führen empathischer und sind detailorientierter? Klingt nett, aber auch positive Klischees sind problematisch – davor warnt Kathrin Werner, Redaktionsleiterin von Plan W, dem SZ-Wirtschaftsmagazin für Frauen, in ihrem Beitrag in der SZ vom 11. September.

Positive Klischees bestätigten eher ein Gruppendenken, das wiederum Vorurteile auch in die andere Richtung befördern und damit der Gleichberechtigung erneut schaden kann:

„Frauen sind besser im Umgang mit Menschen – und deshalb zwangsläufig schlechter im Umgang mit Zahlen.“ Frauen achten mehr auf Details, aber: „Was macht eine Frau,  die nicht detailorientiert, sondern in großen Maßstäben denkt, wie sich das für Chefs gehört, die keine Mikromanager sind?“

Schon Gertraude Krell warnte davor, dass das Ersetzen negativer Vorurteile durch positive Vorurteile à la „Frauen sind die besseren Führungskräfte“ sowohl Personalverantwortliche als auch Frauen erneut in eine „Geschlechterfalle“ locken könne (siehe hierzu auch mein Blogbeitrag  Grundlegendes zur Chancengleichheit durch Personalpolitik).

Wer wahre Diversität will, muss zulassen, dass Menschen anders sind als die Klischees

Aus der Zugehörigkeit zu einer Gruppe lassen sich weder Fähigkeiten noch Unfähigkeiten ableiten. Das Fazit von Kathrin Werner: Frauen und Männer haben nur dann die gleichen Chancen, einen Job zu bekommen, wenn sie nach ihren jeweiligen Fähigkeiten bewertet und als Individuum ernst genommen werden. Diese Beobachtungen änderten jedoch nichts an der Tatsache, dass Teams gemischt und in Vorständen Frauen und Männer sitzen sollten.

Wer sich mit diesen Themen auf unterhaltsame Art und Weise befassen will, nutze die zu erwartenden grauen Herbsttage für einen Kinobesuch

Zwei Filme zweier Filmemacherinnen, die mit einer ganzen Palette von positiven und negativen Zuschreibungen spielen, sind in diesen Tagen im Kino zu sehen.

Zum einen Late Night (Regie: Nisha Ganatra) mit Emma Thompson als real bis heute nicht existierende Late-Night-Moderatorin, die erst einmal auf umwerfend komische Art und Weise mit der Mär, dass Frauen per se bessere Führungskräfte, empathisch und solidarisch, seien, aufräumt. Ein Film, der zugleich die misogynen und alle die ‚anders‘ sind ausgrenzenden Verhältnisse in der Medienbranche anprangert und im Widerstand dagegen letztendlich zwei unterschiedlichste Frauen, die Late Night-Moderatorin Katherine und die ihr gegen ihren Widerstand aus Diversitätsgründen beigestellte junge Gelegenheitskomikerin Molly, zusammenführt. Die Handlung zuweilen ein bisschen platt, ein bisschen „Pretty Woman“ Feeling ist auch dabei, aber nichts desto trotz ein Filmabend, der sich lohnt und eine*n trotz des Ernstes des Themas herzhaft lachen lässt (mehr dazu in der Rezension Diversität für Fortgeschrittene von Susan Vahabzadeh).

Bei Une fille facile/Ein leichtes Mädchen (Regie: Rebecca Zlotowski) handelt es sich um ein Werk, das noch provokanter mit Vorurteilen spielt. Eine der beiden Protagonistinnen (und Schauspielerinnen) dieses Coming of Age-Films ist eine junge Prostituierte, die mit Schmolllippen und ultra-knappen Kleidchen die Welt der Schönen und Reichen aufmischt, der sich eigentlich „fast nur durch einen Mount-Everest-hohen Berg an Vorurteilen begegnen“ lässt, so David Steinitz in seiner Rezension für die SZ Obenrum frei,  doch deren Beispiel letztendlich ihre heranwachsende Cousine dazu bewegen wird, ebenso selbstbewußt ihren Weg zu gehen.

Ein wunderbarer Film über die Freiheit – ganz ohne Moralpredigt, so Susan Vahabzadeh in ihrer Videokolumne Die süße Seite von Cannes. Dem kann ich mich nur anschließen und zum Kinobesuch auch in diesem Fall nur raten – nicht zuletzt als Selbsttest, wie immun Sie gegenüber Vorurteilen sind.

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