Kinder und Karriere: Es muss nicht immer Teilzeit sein
In der Debatte um Frauen in Führungspositionen und welche Maßnahmen dafür förderlich sind, steht ‚Führen in Teilzeit“ im Ranking ganz oben. Warum eigentlich? Nicht dass ich solch ein Modell oder auch den Wunsch danach für verwerflich halte. Aber ist Teilzeit die einzige Alternative, um Führungsposition und Privatleben zu vereinbaren? In der Juni-Ausgabe des Harvard Business Manager lässt sich dazu eine spannende Debatte verfolgen (Karriere in Teilzeit – kann das klappen? kostenloses Download für HBM-AbonnentInnen).
In einer Case-Study wird das fiktive Beispiel eines Managers in der inneren Zerreißprobe zwischen weiterem beruflichen Aufstieg und dem Wunsch nach einem erfüllten Vatersein geschildert. Nicht nur die ebenfalls fiktive Ehefrau, sondern auch real existierende Berater raten im Rahmen dieser Fallstudie zur Reduktion des beruflichen Engagements, konkret zu Teilzeit und Modelle geteilter Führung.
Erfrischend anders der Rat der Topmanagement-Beraterinnen Dorothea Assig und Dorothee Echter. Statt eines Verharrens in der, so die Autorinnen, wenig Glück verheißenden Kind-oder-Karriere-Alternative empfehlen sie einen radikalen Perspektivwechsel: Den eigenen Wunsch nach mehr Zeitsouveränität und dessen Legitimät Ernst zu nehmen, und zugleich die Chancen, die die Führungsrolle auch in diesem Zusammenhang bietet, wahrzunehmen.
Führen bedeutet (…), selbst darüber zu bestimmen wie Prioritäten gesetzt werden, wie jemand seine Arbeit einteilt, was wichtig ist, wie wann mit wem darüber gesprochen wird. Nicht mit Durchsetzung oder Kampf, sondern mit selbstverständlicher und souveräner Autonomie.
Der Gegner ist nicht der Chef, so die beiden Top-Beraterinnen, sondern die angstbesetzte Gewohnheit, die Weiter-So-Haltung, die so schwer aufzugeben ist: Das Denken in unerledigten Aufgaben, das letztendlich in den Jahren des Aufstiegs zur Gewohnheit eines langen Arbeitstages führt.
Es gehe weniger um ein ruhigeres Leben, sondern zu lernen, die Fülle und den Reichtum in beiden Bereichen, in Beruf und Familie, zu genießen.
Eine geänderte Haltung wird sicherlich nicht nur inneren, sondern auch äußeren Widerständen begegnen.
Aber trägt nicht ein anfangs vielleicht noch als mutig empfundener Ausspruch „ ‚Heute gehe ich um 16 Uhr zum Elternsprechtag’ “ neben innerer Zufriedenheit mehr noch zu einer Kulturveränderung bei, als wenn zwei Teilzeit-ChefInnen es unter sich regeln?
Ein allzu schneller Ruf nach Teilzeit kann auch dazu führen, das klassische Manager-Bild nicht in Frage zu stellen, so paradox dies klingen mag. Der Beitrag von Assig und Echter hat hier einen wichtigen Anstoß zum weiteren Nachdenken geliefert.
Sehr interessanter Artikel! Das klassische „Manager-Bild“ hat wahrlich ausgedient. Außerdem geht es wirklich weniger um ein ruhigeres Leben, sondern darum, zu lernen, die Fülle und den Reichtum in beiden Bereichen, in Beruf und Familie, zu genießen.